Initiation
Alleine stehe ich am AbgrundAlleingelassen mit mir selbstAlleine
BereitVerschwunden die Welt um mich herumerklimme ich den alten Baum
zum Sprung auf die andere Seitestehe ich am Ufer des Flussesmit neun Ästen
des ewigen Paradoxonsder Fährmann bereitweiter und weiter
wo Nein Jamich überzusetzen.höher und höher
und Ja Nein ist.bis hin
zu den tanzenden Göttern.

Das Wesen der Seele, die Wahrheit des Lebens, das einzig Unwandelbare ist - der Wandel. Eine Binsenweisheit, jedenfalls auf dem Papier. Demgegenüber steht notwendigerweise die Beharrung, der Wunsch, Bleibendes zu schaffen, in der Sicherheit einer Tradition zu stehen, sei es im Ökodorf oder auf dem akademischen tenure track. Stehen diese Energien in Zwiesprache, können sie vielleicht sogar für ein gemeinsames Ziel zusammenarbeiten, erleben wir unbeugsame Kraft und inneren Frieden; arbeiten sie gegeneinander, werden die Wasser des Lebens zu einem reißenden Sturzbach - oder zu einem immer fauliger riechenden Modergewässer. In einer Zeit, in der es keine institutionalisierten Übergangsrituale (Initiationen) gibt und das Tempo des technisch-gesellschaftlichen Wandels als äußerst bedrohlich und entwurzelnd empfunden wird, entscheiden sich die meisten Menschen automatisch dafür, wenigstens innerlich bei dem zu bleiben, was ihnen vertraut ist. Aber auch diese Sicherheit ist trügerisch: Ohne den bewussten Schritt in neue Bewusstheitsräume wird der Strom unserer Lebendigkeit zu einem traurigen Rinnsal - und wir werden nicht erwachsen.

Der innere Ruf zur Heldenreise, zu einem solchen Schritt in den nächsten Bewusstheitsraum, bleibt meist jahrelang ein dunkles Raunen, eine Ahnung, dass etwas Neues, etwas Großes auf mich wartet, die die meisten Menschen erstmals in der Pubertät spüren, aber irgendwann verdrängen, da sie nicht wissen, was sie damit tun sollen. Ohne eine tradierte Initiationskultur muss sich der Ruf für viele Menschen erst im Außen spiegeln, als Krankheit, Scheidung, Jobverlust oder Depression, bevor sie sich auf die Suche nach ihrer ureigenen Wahrheit machen. Die Heldenreise nach Paul Rebillot ist ein seit mittlerweile 40 Jahren bewährtes Übergangsritual für Menschen, die dem ahnenden Raunen ihrer Seele nachgehen wollen, wie auch für Menschen, in deren Leben der innere Stillstand bereits sicht- und fühlbar manifest geworden ist. Gleichzeitig ist sie ein Meta-Ritual, das die Teilnehmer an verschiedene Zugänge zu Heilung und Wachstum heranführt und ein Verständnis für die Dynamik seelischer Wandlungsprozesse vermittelt, das ein Leben lang trägt.

Aber auch in gestalttherapeutischer Einzelarbeit kann Initiation das Thema sein, ist doch der innerste Kern des Gestaltansatzes immer die Begleitung auf dem Weg zur eigenen inneren Wahrheit.